Serie Selbstreflektion, Teil 1

Serie Selbstreflektion, Teil 1

Wow was alles in mir steckt

Erneut hatte ich die Freude, für das renommierte Coaching- und Traininginstitut V.I.E.L. in Hamburg einen Beitrag für ihren regelmäßig erscheinenden Coaching-Letter zu schreiben.

In diesem Essay geht es um das Thema Selbstreflektion und hierbei im Kern um die Frage wie

  • Ereignisse
  • unsere Bewertung der Ereignisse
  • unsere Gefühle
  • Bedürfnisse und
    daraus resultierende Handlungen
    zusammenhängen.

Den Beitrag veröffentliche ich in Form einer 3-teiligen Serie auf dieser Site.

Viel Freude und hoffentlich auch die eine oder andere Erkenntnis beim Lesen.

Teil 1:

Wie Ereignisse und unsere daraus resultierenden Bewertungen zusammenspielen. Warum sehen wir die Dinge so wie wir sie sehen? Und was folgt daraus? Diesen Fragen auf die Schliche zu kommen ist das Ziel der Selbstreflexion.

Was ist eigentlich Selbstreflexion, was versteht man darunter? Ich verstehe darunter in enger Anlehnung an Venus/Sichart/Preußig/Lange de Angelis (Kommunikation in agilen Zeiten, 1. Aufl. 2019, S. 26) folgendes:

Selbstreflexion bedeutet, die eigenen

  • Bewertungen von Situationen, Dingen, Menschen,
  • Gefühle,
  • Bedürfnisse und
  • Motivationen

zu kennen und zu verstehen.

Wer soweit ist, hat die Grundvoraussetzung geschaffen, aus eigenen Stücken ein Leben in Zufriedenheit zu führen. Denn mit diesem Bewusstsein wird es möglich, sein Leben so auszurichten, dass die eigene Gefühlswelt und die eigenen Bedürfnisse angemessen im Sinne eines selbstverantwortlichen Handelns berücksichtigt werden, wodurch eine hohe Motivation aus sich selbst heraus – und damit intrinsisch – entsteht.

Starten wir gleich mit einer der Kernbotschaften dieses Beitrages und einer der zentralen Erkenntnisse, wenn wir über Selbstreflexion sprechen:

Wenn wir mit einer Situation konfrontiert sind, fangen wir in Windeseile mit einer Einordnung der Situation an. Mit anderen Worten: Wir bewerten die Situation. Die Situation als solche ist aber erstmal so wie sie ist – weder gut noch schlecht. Sie ist einfach da. Erst durch unsere Bewertung erhält sie eine Bedeutung.

Das heißt: Die Ursache, warum wir Dinge so sehen wie wir sie sehen, liegt in unseren subjektiven Bewertungen begründet, die wir in fast jeder Situation bewusst oder unbewusst vornehmen.

Das zentrale Wort lautet hier “subjektiv”! Jeder von uns ist mit einem individuellen Mindset ausgestattet, welches die Basis für unsere Bewertungen bildet. Das Mindset wiederum basiert auf unserem ebenfalls persönlichen Wertesystem. Dieses ist bei jedem Menschen einzigartig. Es hat sich im Laufe der Zeit aus Erziehung und persönlichen Erfahrungen gebildet und entwickelt sich stetig weiter. Aus diesem Grund bewerten Menschen die gleiche Ausgangssituation manchmal komplett unterschiedlich.

Hierzu ein Beispiel: Es ist Samstag 15.30h. Fußballzeit. Borussia Dortmund spielt gegen Bayern München. Borussia Dortmund gewinnt 2:1. Der Borussia Dortmund-Fan sagt dazu: „Wie geil is‘ das denn!“ Der Bayern-Fan hingegen sagt: „So ein Mist!“

Hier wird ein und dieselbe Ausgangssituation diametral unterschiedlich bewertet. Der eine findet es gut, der andere findet es schlecht. Das zeigt: Die Ausgangssituation ist zunächst einfach so wie sie ist. Das Ergebnis lautet 2:1. Das Ergebnis ist an sich weder gut noch schlecht. Es ist einfach da und ist so wie es ist. Erst durch die Bewertung der beiden Fans erhält es eine Bedeutung, die sich in komplett unterschiedliche Richtungen bewegt.

Das zeigt – und ich möchte es nochmal auf Grund der hohen Bedeutung betonen: Bewertungen sind immer subjektiv! Daraus folgt: Es gibt kein richtig und kein falsch. Es gibt nur ein anders!

Diesen Effekt können Sie an sich selbst feststellen. Dazu lade ich Sie ein, sich ein Blatt und einen Stift zu nehmen und die obige Tabelle zu zeichnen:

Jetzt denken Sie bitte an 1-3 Ereignisse, die Sie in guter Erinnerung haben. Das können einfache Sachen wie der gestrige Spaziergang sein. Das kann aber auch ein Großereignis wie die letzte Urlaubsreise sein. Schreiben Sie diese bitte nur unter Nennung von Zahlen, Daten und Fakten (= was habe ich wann wo wie gegebenenfalls mit wem gemacht) in die Spalte Ausgangssituation.

Jetzt wiederholen Sie den Vorgang, aber mit 1-3 Ereignissen, die Sie in schlechter Erinnerung haben. Auch hier sollten sie in die Spalte Ausgangssituation nur Zahlen, Daten und Fakten formulieren. Dabei kann es sich wieder um eine kleine Sache handeln wie zum Beispiel, dass sie den Nudelauflauf gestern zu lange im Ofen gelassen haben. Es kann aber auch eine größere Sache sein wie zum Beispiel der verkorkste Geschäftstermin in der letzten Woche. Schreiben Sie einfach das auf, was Ihnen spontan in den Sinn kommt.

Wenn Sie damit fertig sind, schreiben Sie bitte hinter jede Ausgangssituation mindestens 1 Bewertung, warum Sie das Ereignis gut oder schlecht finden.

Ich möchte Ihnen ein weiteres Beispiel geben, welches die Subjektivität in der Bewertung aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet:

Person X hat Tag für Tag einen unaufgeräumten Schreibtisch. Der Tischnachbar A ist davon total genervt. Tischnachbar B findet den unaufgeräumten Schreibtisch hingegen inspirierend.

Entsprechend bewertet A die Ausgangssituation wie folgt: „Was für ein Chaos!“. B bewertet die gleiche Ausgangssituation komplett anders. Er meint: „Wie kreativ!“.

Was beide nicht bewusst wahrnehmen: A ist in der Kindheit in einem extrem unordentlichen Haushalt aufgewachsen, so dass seine Freunde nur ungern zu ihm nach Hause kamen. B hat hingegen als Kind das kreative Chaos in seiner Familie als total belebend erlebt.

Und jetzt die entscheidende Frage: Was kann Kollege X mit dem unaufgeräumten Schreibtisch für die Kindheitserfahrungen von A und B? Gar nichts! Auf seinem Schreibtisch liegen einfach nur Unterlagen wahllos und quer übereinander. Das ist weder gut noch schlecht, das ist eben einfach so.

An diesem Beispiel möchte ich klarmachen: Wir projizieren häufig (unbewusst) Erfahrungen in Ereignisse hinein und bewerten diese auf Basis der Erfahrungen, obwohl das Ereignis mit der Erfahrung nichts zu tun hat.

Zusammengefasst bedeutet das bis hierher: Die äußeren Faktoren (Z.D.F. = Zahlen, Daten, Fakten) sind so wie sie sind und damit weder gut noch schlecht. Wir haben es selbst in der Hand, wie wir sie einordnen und bewerten.

Oder um es mit Shakespeare zu sagen: „Denn an sich ist nichts weder gut noch schlimm, das Denken macht es erst dazu.“

In Teil 2 der Serie geht es um die Frage, wie Gefühle mit unseren Bewertungen zusammenhängen und was wir daraus im Hinblick auf mehr Zufriedenheit im Leben lernen können.

Serie Selbstreflektion, Teil 2

Serie Selbstreflektion, Teil 2

Wie Gefühle aus unseren Bewertungen entstehen und was das für unsere Zufriedenheit bedeutet

In Teil 1 ging es um den Zusammenhang von Ausgangssituationen und unseren daraus resultierenden Bewertungen. Die Kernaussage war, dass Situationen an sich immer neutral, also weder gut noch schlecht sind. Unsere subjektive Bewertungen führen erst dazu, dass wir einer Situation eine Bedeutung geben – mal ist sie positiv und mal negativ.

In Teil 2 geht es nun um die Frage, wie unsere Gefühle in diese Abfolge von Situation und Bewertung einspielen. Die Antwort lautet: Aus unseren subjektiv bewertenden Gedanken folgen unsere Gefühle.

Hier ist es wichtig, sich die Reihenfolge bewusst zu machen: Unsere Gefühle sind die Konsequenz unser Bewertungen.

Daraus folgt: Dinge, die wir positiv bewerten, führen in der Regel zu angenehmen Gefühlen. Dinge, die wir negativ bewerten, führen in der Regel zu unangenehmen Gefühlen. Es liegt also maßgeblich an Ihren subjektiven Bewertungen von an sich neutralen Situationen, wie Ihre Gefühlswelt aussieht.

Dies ist ein ganz wesentlicher Punkt für Ihr Wohlgefühl und Ihre Zufriedenheit, weshalb ich diesen Punkt kurz vertiefen möchte.

Barbara L. Fredrickson, Professorin für Psychologie an der University North Carolina in Chapel Hill und führend auf dem Gebiet der Positiven Psychologie, hat zu der Macht der guten Gefühle viel geforscht und wegweisende Erkenntnisse gewonnen. Sie hat herausgefunden, dass positives Denken sich massiv vorteilhaft auf unsere Grundstimmung auswirkt, denn aus unseren Gedanken (=Bewertungen) resultieren unsere Gefühle.

Das ideale Verhältnis zwischen angenehmen und unangenehmen Gefühlen, so zeigen die Studien von Barbara L. Fredrickson, liegt bei mindestens 3:1 (Barbara, L. Fredrickson: Die Macht der guten Gefühle, 2011, S. 47ff.). Das bedeutet, dass eine negative Emotion von drei positiven Emotionen getragen werden muss, damit der Mensch in einer positiven Grundstimmung ist.

Das zeigt, dass negative Erlebnisse wichtig sind, denn niemand kann ohne das Negative wachsen und sich weiterentwickeln. Das Positive sollte jedoch mindestens im Verhältnis 3:1 die Oberhand haben. Das 3:1-Verhältnis markiert den Tipping-Point, bei dem es beginnt ungesund zu werden. Barbara L. Fredrickson bringt es mit dem Verweis auf Studien wie folgt auf den Punkt (Barbara, L. Fredrickson: Die Macht der guten Gefühle, 2011, S. 42.): „Menschen, die eine positive Grundhaltung haben, leben länger – und zwar bis zu 10 Jahre.“

Die gute Nachricht daran ist: Sie haben es selbst in der Hand, welchen Gedanken Sie in sich Vorrang geben und wie Ihre Gefühlswelt als Konsequenz daraus aussieht!

Ich möchte Sie jetzt einladen, die Wirkung Ihrer Bewertungen auf Ihre Gefühle näher zu erkunden. Nehmen Sie sich dazu wieder die Tabelle zur Hand, in der Sie für die Top- und Flop Ereignisse die Ausgangssituation und Ihre Bewertung dazu formuliert haben (s. Abb. oben). Bitte ergänzen Sie im Spaltenkopf nach den Bewertungen jetzt den Begriff “Gefühl”. Ihre Tabelle sollte dann wie in der Tabelle oben aussehen:

Bitte schreiben Sie nun in die Spalte Gefühl Ihre Gefühle, die Sie mit den jeweiligen Top- und Flopsituationen auf Basis Ihrer Bewertungen empfinden. Mindestens eine Emotion sollten Sie danach zu jedem Punkt stehen haben, denn jede Bewertung löst im Minimum ein Gefühl aus.

Es ist nicht ungewöhnlich, wenn Sie Ihren Bewertungen zunächst keine konkreten Gefühle zuordnen können. Gerade wenn Sie in dieser Art der Betrachtung Ihrer Situation noch ungeübt sind, ist es gar nicht so leicht, in sich hineinzuhorchen und seinen Gefühlen auf die Spur zu kommen. Trotzdem möchte ich Sie ermutigen, es auszuprobieren. Es lohnt sich!

Sie sehen, unsere subjektiven Bewertungen von an sich neutralen Ausgangssituation haben enorme Auswirkungen auf unsere Gefühlwelt. Das Gute daran ist, dass wir es selbst in der Hand haben, wie wir Situationen bewerten. Dementsprechend haben wir es auch selbst in der Hand, wie unsere Gefühlswelt als Folge unserer Gedanken aussieht – eine wesentliche Erkenntnis zur Übernahme von Selbstverantwortung.

Nicht der andere wie z. B. der Kollege, der Vorgesetzte, der Kunde, der Auftraggeber oder der Dienstleister ist für unsere Zufriedenheit verantwortlich oder gar „schuld”, dass es uns so geht wie es uns geht. Wir selbst sind dafür verantwortlich.

Im dritten und letzten Teil dieser Serie wird es um die Frage gehen, wie unsere Bedürfnisse und daraus resultierende Handlungen in den Kontext von Ausgangssituation, Bewertungen und Gefühle hineinspielen.

Serie Selbstreflektion, Teil 3

Serie Selbstreflektion, Teil 3

Welche Bedeutung unsere Bedürfnisse im Kontext von Ausgangssituation, Bewertung und Gefühlen für unser Handeln und unsere Zufriedenheit haben

In Teil 2 der Serie haben wir uns intensiv mit der Entstehung unserer Gefühle beschäftigt und festgestellt, dass wir selbst für unsere Gefühlswelt verantwortlich sind und kein anderer wie zum Beispiel der Kunde, der Chef, der Auftraggeber oder der Dienstleister.

Im dritten und finalen Teil der Serie geht es um die Frage, wie Bedürfnisse in diese Zusammenhänge einspielen und welche Handlungen wir daraus resultierend in der Regel ergreifen.

Zunächst zum ersten Teil der Fragestellung: wie spielen unsere Bedürfnisse in den Zusammenhang von Situation, Bewertung der Situation und daraus resultierenden Gefühlen rein?

Dazu folgendes Eingangsstatement: Alles, was Sie tun, tun Sie auf Grund von Bedürfnissen. Ihre Gefühle sind Ausdruck Ihrer Bedürfnisse, die es zu befriedigen gilt.

Angenehme Gefühle zeigen Ihnen in der Regel, dass Ihre Bedürfnisse erfüllt werden und motivieren Sie, mehr davon zu machen. Hier spricht man von der sogenannten „Hin-Zu“ Motivation.

Unangenehme Gefühle zeigen Ihnen in der Regel hingegen, dass Ihre Bedürfnisse unzureichend erfüllt werden und motivieren Sie, davon wegzukommen. Hier spricht man von der sogenannten „Weg-Von“-Motivation.

Sie merken, wenn in Ihnen ein Bedürfnis entsteht, dann entsteht in Ihnen eine innere Spannung. Sie können Ihre Bedürfnisse also innerlich spüren. Vermutlich kennen Sie auch das Gefühl, wenn Ihre Blase voll ist und dadurch ein Gefühl innerer Spannung entsteht. Diese Spannung steht in diesem Fall für das Bedürfnis, das nächste stille Örtchen aufzusuchen. Nachdem Sie sich erleichtert haben, ist die Spannung entladen. Ihr Bedürfnis ist befriedigt. Bedürfnisbefriedigung bedeutet die Entladung von Spannung.

Die Priorisierung der Bedürfnisse ist individuell. Für den einen ist Freiheit wichtiger als Sicherheit, bei dem anderen ist es umgekehrt. Hier zeigt sich, wie die Räder Ausgangssituation, Bewertung, Gefühle und Bedürfnisse ineinandergreifen. Auf Grund der subjektiven Bewertungen von an sich neutralen Situationen und den daraus resultierenden Gefühlen zeigt sich die individuelle Bedürfnisstruktur.

Jetzt lade ich Sie ein, Ihrer individuellen Bedürfnisstruktur näher auf die Schliche zu kommen.

Hierzu bitte ich Sie, sich wieder Ihre Tabelle der ersten beiden Teile zur Hand zu nehmen und im Spaltenkopf rechts neben den Gefühlen den Begriff “Bedürfnis” einzutragen. Ihre Übersicht sollte dann so wie oben aussehen (noch ohne Aktion in der Spalte ganz rechts).

Probieren Sie bitte einmal, hinter jedes Gefühl der Top-Aktivitäten die vorrangigen Bedürfnisse zu schreiben, die Sie mit der Ausgangssituation befriedigen. Die zentrale Frage lautet hier also: „Welche Bedürfnisse befriedige ich mit den Aktivitäten?“

Danach bitte ich Sie, hinter jedes Gefühl der Flop-Aktivitäten die vorrangigen Bedürfnisse zu notieren, die Sie in der Ausgangssituation vernachlässigt haben. Die entscheidende Frage lautet hier: „Welche Bedürfnisse vernachlässige ich mit den Aktivitäten?“

Wie schon bei den Gefühlen ist es gar nicht so leicht, seine befriedigten Bedürfnisse bei den Top-Ereignissen und unbefriedigten Bedürfnisse bei den Flop-Ereignissen herauszufinden. Deshalb hier eine kleine Hilfestellung.

Nachfolgend zeige ich Ihnen eine Übersicht möglicher Bedürfnisse, die in Ihren Top- und Flop-Ereignissen befriedigt oder unbefriedigt sein könnten (Quelle: https://www.gluecksarchiv.de/inhalt/grundbedarf.htm):

körperlich und geistig gesund sein, mit sich im Gleichgewicht sein, ein Dach über dem Kopf und Arbeit haben, sich fortpflanzen, ein passendes Lebensumfeld haben, Fürsorge, Geborgenheit und Solidarität erfahren, selbstständig sein, soziale Sicherheit haben, Abgesichert sein (Ersparnisse, Versicherungen, Krankenversicherung) und Vorsorge treffen, Rechte haben, mit anderen kooperieren, helfen, Selbstachtung, Solidarität, Respekt, Toleranz, Partnerschaft, Familie, Freundschaft, sich lieben, sich kümmern, in Gemeinschaft sein, sich wertschätzen, Gefühle ausdrücken dürfen, Neugier, Vernunft, Aufnahmebereitschaft, forschen, experimentieren, analysieren, lernen, andere ausbilden, Solidarität erleben und zu leben; sich engagieren, Leidenschaft haben, Verantwortung und Pflichten übernehmen; etwas leisten, mit anderen kooperieren, etwas zustimmen, Meinungen austauschen, sich mitteilen, mitbestimmen, einer Gemeinschaft angehören, Ruhe und Beschaulichkeit, Sorglosigkeit, sich Phantasien hingeben, Spielen, Spaß haben und Feiern, in den Tag hineinträumen, sich an Vergangenes erinnern, die Freizeit genießen, etwas schaffen oder erfinden, sich beschäftigen, Fähigkeiten und Fertigkeiten einsetzen, produktiv sein, Rückmeldungen erfahren, frei über die eigene Zeit verfügen, sich abgrenzen, sich selbst achten und behaupten, in Bezugsgruppen den eigenen Platz definieren, sich selbst kennen bzw. kennenlernen, sich selbst verwirklichen, sich weiterentwickeln, Freiraum, Autonomie und Mut, Gleichberechtigung, Risiko.

Sie sehen, es gibt eine Vielzahl möglicher Bedürfnisse, die sie bei ihren Top-Ereignissen befriedigen und bei ihren Flop-Ereignissen vermutlich vernachlässigen.

Wenn man in dieser Art der Selbstreflexion noch nicht geübt ist, ist es alles andere als trivial, in dieser Form in sich hineinzuhorchen. Insbesondere die Identifikation der Gefühle und dahinterliegenden Bedürfnisse erfordert einiges an Selbstreflexion. Deshalb: Es freut mich für Sie, dass Sie bereit sind sich selbst in dieser Form zu reflektieren.

Nachdem Sie festgestellt haben, wie Sie die von Ihnen reflektierten, an sich neutralen, Ausgangssituationen bewerten, welche Gefühle daraus resultieren und welche dahinterliegenden Bedürfnisse befriedigt (Top-Ereignisse) und nicht befriedigt (Flop-Ereignisse) sind, folgen daraus Handlungen. Diese bezeichne ich als Aktionen. Ziel sämtlicher Aktionen ist es, unbewusst oder bewusst Bedürfnisse zu befriedigen, sprich: die Bedürfnisbefriedigung zu verstärken bzw. die bisher unbefriedigten Bedürfnisse in einen Zustand der Befriedigung zu bringen.

In einfachen Situationen läuft dies meist unbewusst ab: Wenn Sie Durst haben, nehmen Sie sich etwas zu trinken, ohne die Schritte Bewertung, Gefühle und Bedürfnisse bewusst durchzugehen. Wenn Sie müde sind, machen Sie eine Pause.

Es gibt aber auch deutlich umfangreichere Situationen, in denen das automatisierte Handeln in dieser Weise nicht funktioniert. Ich gebe Ihnen dazu ein Beispiel.

Nehmen wir an, Sie hatten folgende Ausgangssituation: In der letzten Woche habe ich jeden Tag die Spülmaschine ein- und ausgeräumt. Ihre Bewertung dazu war: Ich finde es blöd, das als einziger in diesem Haushalt zu machen. Das daraus resultierende Gefühl war Ärger. Das dadurch unbefriedigte Bedürfnis war beispielsweise Gerechtigkeit. Dann könnte die daraus resultierende Handlung/Aktion mit dem Ziel, das Ein- und Ausräumen der Spülmaschine auf mehrere Schultern zu verteilen, folgende sein: Sie rufen alle Haushaltsmitglieder zusammen, schildern Ihre Sicht der Dinge und bitten darum, dass gemeinsam ein Plan erstellt wird, der die Tätigkeiten rund um die Spülmaschine gerecht auf alle verteilt.

In diesem Sinne lade ich Sie abschließend zu diesem Beitrag ein sich zu überlegen, wie Sie die für die Top- und Flop-Ereignisse gewonnenen Erkenntnisse jetzt in eine befriedigende Handlung bringen können. Wie gesagt geht es bei den Top-Ereignissen darum, das Bedürfnis noch stärker zu befriedigen oder zumindest auf dem bestehenden Niveau zu halten. Bei den Flop-Ereignissen geht es indes darum, die identifizierten unbefriedigten Bedürfnisse zukünftig besser zu befriedigen.

Dazu nehmen Sie sich wieder Ihre Tabelle oben und ergänzen im Spaltenkopf rechts neben Bedürfnis den Begriff “Aktion”. Wenn Sie mögen, schreiben Sie nun ähnlich dem Spülmaschinen-Beispiel hinter jedes Bedürfnis der Top-Aktivitäten mögliche Handlungen, die Ihre Bedürfnisbefriedigung ausbaut oder dafür sorgt, dass sie zumindest auf dem Niveau bleibt.

Anschließend schreiben Sie hinter jedes Bedürfnis der Flop-Aktivitäten mögliche Handlungen, die Ihre bisher unbefriedigten Bedürfnisse zukünftig stärker befriedigen.

Wenn Sie dies gemacht haben, haben Sie den Zusammenhang von an sich neutraler Ausgangssituation, subjektiver Bewertung, daraus resultierenden Gefühlen, dahinterliegenden Bedürfnissen und daraus folgenden Handlungen/Aktionen kennengelernt und mit Ihren individuellen Beispielen durchgespielt. Sie wissen jetzt, wie das – so nenne ich es in Anlehnung an Harlich H. Stavemann und Marshall B. Rosenberg – ABCDA-Modell funktioniert und wie Sie es für sich einsetzen können. Dabei steht A für Ausgangssituation, B für Bewertung, C für Consequence, die unsere Gefühle als Folge der subjektiven Bewertung beschreibt, D für Desire (zu deutsch Bedürfnis) und A für Aktion, die aus dem vorherigen resultiert.

Sie werden sehen: Wenn Sie die gewonnenen Erkenntnisse in Ihr Leben integrieren und regelmäßig üben, wird dies zu mehr Selbstbestimmung in Ihrem Leben führen und sich damit positiv auf Ihre Zufriedenheit und Ihr Umfeld auswirken. Ich wünsche Ihnen dabei gutes Gelingen und viel Erfolg!

Herzlich, Ihr Torsten König

Das Wesen von Veränderungen, Teil 1

Das Wesen von Veränderungen, Teil 1

Warum wir auf Veränderungen so reagieren, wie wir es tun

Den folgenden Beitrag habe ich für das renommierte Coaching- und Traininginstitut V.I.E.L. in Hamburg geschrieben.

Im Kern des Essays geht es um die Fragen, was Veränderungen eigentlich sind und warum wir Menschen uns bei Veränderungen so verhalten wie wir es tun
wie wir zu einem besseren Umgang mit Veränderungen kommen
welche Bedeutung Sinnempfinden im Zuge von Veränderungen hat
warum Nachhaltigkeit essentiell für den Umgang mit Veränderungen ist.

Den Beitrag veröffentliche ich in Form einer 4-teiligen Serie auf dieser Site.

Viel Freude und hoffentlich auch die eine oder andere Erkenntnis beim Lesen.

Teil 1:

Warum wir auf Veränderungen so reagieren wie wir es tun
„Warum tun wir uns eigentlich mit Veränderungen so schwer?” „Und was können wir tun, um besser mit Veränderungen umzugehen?“

Diese Fragen tauchen sehr häufig im beruflichen Kontext auf, lassen sich aber ebenso auf das Privatleben übertragen. Gerade in Zeiten von Corona stehen wir vor enormen Veränderungen … und damit aus meiner Sicht auch vor großen Chancen. Wie verhält es sich nun also mit dem „Wesen von Veränderungen“?

Um diese Frage zu beantworten, möchte ich mit Ihnen ein Gedankenexperiment machen. Stellen Sie sich folgende Situation vor, die jede/r von uns so oder ähnlich schon erlebt hat: Sie möchten wie jeden Morgen mit dem Auto zur Arbeit fahren und stellen fest … aus irgendwelchen Gründen liegt der Autoschlüssel nicht dort, wo er sonst immer liegt. Was machen Sie?

Nun, die allermeisten von uns fangen an, den Schlüssel zu suchen in der Hoffnung, dass sie ihn finden und damit im gewohnten – unveränderten – Trott weitermachen können.

Aber warum ist das so? Warum lassen wir nicht den Schlüssel Schlüssel sein und schnappen uns je nach Entfernung zum Arbeitsplatz das Fahrrad, den Bus oder die Bahn? Das wäre doch genauso denkbar. Und mancher würde vielleicht sogar feststellen, dass das Fahrrad, die Bahn oder der Bus die für sie oder ihn besseren Alternativen sind.

Der Grund liegt in folgendem: Wir Menschen versuchen in aller Regel erstmal im gewohnten Trott zu bleiben, denn dieser ist uns bekannt. Warum wir so am Bestehenden hängen, möchte ich Ihnen an folgendem Beispiel näherbringen (in Anlehnung an Daniel Kahnemann: Schnelles Denken, langsames Denken):

Angenommen Sie haben ein Gesamtguthaben von 10.000€. Ich komme jetzt auf Sie zu und biete Ihnen folgendes an: Wir werfen eine Münze. Wenn Kopf gewinnt, gebe ich Ihnen 8.000 €. Wenn hingegen Zahl gewinnt, bekomme ich von Ihnen 8.000 €. Mit anderen Worten: Wenn Sie gewinnen, haben Sie danach ein Gesamtguthaben von 18.000 €. Wenn ich gewinne, schrumpft Ihr Gesamtguthaben auf 2.000 €. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 50%, dass Sie gewinnen. Sie liegt aber auch bei 50%, dass Sie verlieren. Wofür entscheiden Sie sich? Gehen Sie auf mein Angebot ein?

Rational betrachtet müssten in einer repräsentativen Umfrage 50% der Menschen das Angebot annehmen und 50% das Angebot ablehnen. Dem ist aber nicht so. Die allermeisten Menschen entscheiden sich gegen die Annahme des Angebotes und damit für die Beibehaltung des Status Quo, obwohl die Chance zu gewinnen genauso hoch ist wie das Risiko zu verlieren.

Warum ist das so? Der Grund ist ganz simpel: Gefühlt hat der potenzielle Verlust ein höheres Gewicht als der potenzielle Gewinn, obwohl wie gesagt die objektiven Eintrittswahrscheinlichkeiten identisch sind. Dieses Phänomen nennt man Verlustaversion.

Verlustaversion meint: Menschen stehen Veränderungen i. d. R. erstmal skeptisch gegenüber, wenn es ein Verlustrisiko gibt. Hintergrund hierfür ist, dass jeder Mensch seit Urzeiten ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis hat. „Safety first“ lautet grundsätzlich die Devise. Erst wenn die Chance eines potenziellen Gewinns mindestens um das 1,5-fache höher ist als der potenzielle Verlust, beginnen Menschen über das Verlassen ihrer Komfortzone nachzudenken.

Das können Sie an sich selber feststellen: Angenommen, ich würde Ihnen statt der 8.000 € jetzt 16.000 € geben wenn Sie gewinnen und Sie müssten mir hingegen weiterhin „nur“ 8.000 € geben wenn Sie verlieren. Wie würden Sie sich jetzt entscheiden?

Mancher von Ihnen würde auf das Angebot eingehen. Zumindest denkt man sicherlich stärker über das Angebot nach als in der ersten Variante.

Was zeigt uns das? Nun ja, Menschen verlassen nur mit ausreichendem Anreiz ihre Denkmuster und damit ihre Komfortzone, obwohl sie gar nicht wissen können, ob es außerhalb des Bekannten nicht in Wirklichkeit schöner ist.

Ich möchte Sie dazu einladen, Veränderungen und den damit verbundenen Chancen auf neue schöne Erfahrungen optimistisch gegenüber zu stehen. Es lohnt sich!

Was es dafür bedarf? Das stelle ich Ihnen in Teil 2 der Serie vor, den ich in Kürze hier veröffentlichen werde.

 

Das Wesen von Veränderungen, Teil 2

Das Wesen von Veränderungen, Teil 2

Wie wir zu einem besseren Umgang mit Veränderungen kommen

Nachdem es in Teil 1 der Serie (s. u. auf dieser Site) um die Frage ging, warum wir auf Veränderungen so reagieren wie wir es üblicherweise tun, möchte ich Ihnen in Teil 2 Impulse zur Beantwortung der Frage geben, was es braucht, um mit Veränderungen gut umzugehen.

Also, was bedarf es dafür? Nun, vor allem die Offenheit, aus bestehenden Denkstrukturen auszubrechen und damit auch gedanklich offen für Neues zu sein.

Hierzu ein kleines Beispiel. Wenn Sie Lust haben, machen Sie mit. Überfliegen Sie (bitte wirklich nur überfliegen) den folgenden Satz:

+++
Die Taube

auf dem
den Dach
+++

Was haben Sie gelesen?

Wenn Sie den Satz wirklich nur überflogen haben, werden Sie folgendes gelesen haben: „Die Taube auf dem Dach“.

Tatsächlich steht da aber etwas anderes: Es stehen dort zunächst drei Pluszeichen. Es folgt „Die Taube auf dem den Dach“. Und dann kommen wieder drei Pluszeichen.

Das Beispiel zeigt, dass wir nur einen Teil unserer Umwelt bewusst wahrnehmen und zwar den, den wir aufgrund unserer Denkstruktur bereits kennen. Wir müssen uns anstrengen und damit zusätzliche Energie aufwenden, wenn wir mehr als „das Übliche“ sehen wollen. Der Mensch ist aber so angelegt, dass er möglichst energieschonend agiert. Das bedeutet, dass wir uns bewusst „aufraffen“ müssen, um mehr zu sehen als das, was wir eh schon kennen.

Was bedeutet das im Hinblick auf Veränderungen? Wenn sich Rahmenbedingungen ändern und alte Erfolgsrezepte an ihre Grenzen stoßen, bedarf es einer zusätzlichen Kraftanstrengung, um neue Lösungsansätze zu entdecken. In diesem Beispiel mit der Taube auf dem Dach ist es noch recht einfach:

Wenn wir – bildhaft gesprochen – für ein erfolgreiches Meistern der veränderten Situation beispielsweise mehr Pluszeichen benötigen, sind diese bereits vorhanden. Wir müssen sie nur sehen. Systemisch ausgedrückt: Unser bestehendes System stellt die Ressourcen schon bereit. Wir müssen sie „nur“ erkennen und anzapfen.

Dieses noch theoretische Beispiel erleben Sie in der Praxis am laufenden Band: Angefangen mit dem Autoschlüssel-Beispiel aus Teil 1 (s. u.), bei dem die Pluszeichen beispielsweise für das Fahrrad stehen. Weiter geht es etwa am Arbeitsplatz, wo z.B. die Bürofläche zu knapp wird: Dann kann das Wörtchen „den“ vielleicht der leerstehende Konferenzraum von gegenüber sein. Und so können Sie die Liste unendlich weiterführen. Das Muster lautet immer wieder: Die Ressourcen zur Lösung des Problems sind schon vorhanden. Man muss sie nur sehen.

Es gibt aber noch eine zweite, komplexere Variante, die sich im Umgang mit Veränderungen stellt. Auch hierzu eine kleine Demonstration, die Ihnen die Mechanik verdeutlicht:

Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und malen Sie darauf 9 Punkte im 3 x 3 Schema (3 Punkte in einer Reihe und das 3x untereinander). Schaffen Sie es, die Punkte innerhalb von 20 Sekunden wie beim „Haus vom Nikolaus“ ohne Absetzen mit vier Linien zu verbinden? Versuchen Sie es!

Und, hat’s geklappt? Wenn nicht, grämen Sie sich nicht, denn das geht überhaupt nicht! Die Aufgabe ist nur mit einer „Systemveränderung“ lösbar: Die Punkte kann man nur dann in der geforderten Variante verbinden, wenn man den Bezugsrahmen vergrößert. Das geht so, in dem man das Schema um 2 Punkte erweitert: ein zusätzlicher Punkt kommt unter die ganz linke “Spalte” der 3 Punkte. Ein zweiter Punkt kommt rechts neben die oberste Zeile der 3 Punkte. Dann lassen sich die Punkte ohne Absetzen mit 4 Linien verbinden.

Hier zeigt sich folgendes: Manch veränderte Rahmenbedingungen führen dazu, dass sich die Herausforderungen nicht mit bestehenden Ressourcen lösen lassen! Dann muss das System als solches verändert werden. In diesem Beispiel benötigt man zusätzliche Ressourcen, um das Problem zu lösen.

Auch das erleben wir in der Realität häufig: Die zusätzlichen zwei Punkte stehen zum Beispiel für die externen Berater, die in ein Unternehmen kommen. Oder es sind neue innovative Produkte, die das Unternehmen auf den Markt bringt. Das sehen wir in Form von E-Autos gerade in der Automobilindustrie. Oder, oder, oder.

Bei anstehenden Veränderungen gibt es also grundsätzlich 2 Lösungsmöglichkeiten: Entweder liegt die Lösung der Herausforderungen im bestehenden System und wir müssen die dafür notwendige Ressource „nur“ erkennen. Oder die Herausforderung lässt sich mit den bestehenden Ressourcen nicht bestehen, so dass wir das System als solches verändern müssen. Das kann wie in diesem Beispiel eine Erweiterung sein, es kann aber auch eine Verkleinerung sein, wie wir es in Unternehmen im Zuge von Arbeitsplatzabbau durch Restrukturierungen erleben.

Einfach so weitermachen wie bisher ist bei Veränderungen übrigens selten eine gute Lösung. In der Regel verschiebt diese Strategie die Problemlösung unter dann schärferen Bedingungen nur in die Zukunft. Aufgehoben wird sie dadurch nicht.

Für alle geschilderten Fälle gilt: Das Festhalten an „alten Dingen“ hindert uns an einem klaren Blick für die eigentlichen Notwendigkeiten. Die gedankliche Öffnung ist es, die uns bei sich ändernden Rahmenbedingungen nach vorne bringt.

In nächsten Teil der Serie geht es um die Frage, welche Bedeutung Sinnempfinden bei Veränderungen hat. So viel sei verraten: es wird hochinteressant.

Teil 3 veröffentliche ich wieder an dieser Stelle. Bis dahin wünsche ich Ihnen viel Freude mit den gewonnenen Erkenntnissen und vielleicht auch mit der einen oder anderen Umsetzung im Alltag. Halten Sie die Augen und Ohren für die Chancen durch Veränderungen offen!

Das Wesen von Veränderungen, Teil 3

Das Wesen von Veränderungen, Teil 3

Die Bedeutung von Sinnempfinden im Veränderungsprozess

Schon Heraklit sagte: „Nichts ist so beständig wie der Wandel.” Deshalb ist es wie in Teil 2 (s. u.) beschrieben so wichtig, gedanklich offen für das Neue zu sein. Denn die Frage ist nicht, ob Veränderungen kommen oder nicht. Sie kommen definitiv und stetig. Die Frage ist, wie wir mit ihnen umgehen. Und dafür ist ein offener Blick für das Neue hilfreich.

Ja, das klingt jetzt so leicht: Öffne einfach deinen Blick. Aber so einfach ist es eben doch nicht, wie wir am Beispiel mit der Münze in Teil 1 (s. ebenfalls unten) gesehen haben.

Der Grund liegt darin, dass Menschen erst dann richtig offen für Veränderungen sind, wenn sie einen Sinn darin sehen. Mit anderen Worten: Es gilt, den Menschen und sich selbst zu verdeutlichen, welchen Sinn der Wandel/die Veränderung für sie hat. Das gilt im Privatleben. Das gilt gleichermaßen für das Berufsleben. Steve Jobs hat dazu einmal gesagt: „Der einzige Weg, um wirklich zufrieden zu sein, ist, etwas zu tun, von dem du überzeugt bist, dass es eine großartige Arbeit ist.“ Oder um es mit Viktor Frankl, dem Begründer der Logotherapie, zu sagen: „Wer ein Warum hat, erträgt fast jedes Wie.“

Von zentraler Bedeutung ist es also zu erkunden, wie sinnvoll Sie das empfinden, was Sie machen. Um dem nachzugehen, möchte ich Ihnen vier Fragen ans Herz legen, die auf recht einfache Art und Weise wesentliche Antworten auf die Sinnfrage geben können. Diese sind an Erkenntnisse der amerikanischen Organisationspsychologin Amy Wrzesniewski angelehnt, die als Professorin an der Yale University lehrt.

Die vier Fragen lauten:

1. Wirksamkeit: Wie intensiv kann ich mich in meinem Umfeld (z. B. Unternehmen) einbringen?

2. Selbstwerdung: Wie weitgehend kann ich in meinem Umfeld so sein wie ich bin?

3. Das große Ganze: Wie intensiv tut mein Umfeld (z. B. der Arbeitgeber) etwas, um die Welt besser zu machen?

4. Zugehörigkeit: Wie sehr decken sich meine Werte mit denen meines Umfeldes (z. B. meines Arbeitgebers)?

Das obige Schaubild veranschaulicht, wie die 4 Fragen zusammenhängen. Im Kern geht es darum, das eigene Sinnempfinden in den Dimensionen ich und andere sowie tun und sein zu ergründen.

Um für sich Klarheit zu gewinnen, schlage ich Ihnen folgendes Vorgehen vor:

Schritt 1: Fragen Sie sich für jede der vier Fragen, bei welchem Skalenwert auf einer Skala von 1 (=minimal) bis 10 (=maximal) Sie zufrieden wären.

Schritt 2: Beantworten Sie dann die vier Fragen auf der gleichen 10er-Skala im Hinblick auf Ihren jetzigen, tatsächlichen Zufriedenheits-Ist-Zustand.

Schritt 3: Ermitteln Sie die Differenz und überlegen Sie insbesondere bei den Fragen mit großen Soll-/Ist-Abweichungen, was Sie machen können, um Ihren Zielwerten näher zu kommen. Wo besteht Veränderungsbedarf, damit Sie mehr Sinn empfinden?

Um nach der Analyse in die Umsetzung zu kommen, können die drei klassischen Alternativen „Love it, change it, leave it“ helfen.

„Love it“ bedeutet, dass Sie aus einem anderen Blickwinkel auf die Situation schauen und durch einen Perspektivwechsel (Reframing) die Situation anders, im Idealfall besser, sehen als es derzeit der Fall ist. Hierbei hilft häufig die Frage: Was ist das Gute an der Situation?

„Change it“ bedeutet, dass Sie etwas an der Situation ändern, ohne die Situation zu verlassen. Sie verändern also „innerhalb des Systems“. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn Sie im Unternehmen eine neue Aufgabe übernehmen.

Wenn Sie sich für die „Leave it“-Alternative entscheiden, verlassen Sie die Situation nach dem Motto „Auf zu neuen Ufern“. In diesem Fall geben Sie dem Bestehenden keine Chance mehr, verlassen das bestehende System und gehen in ein neues System. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn Sie von ihrem derzeitigen Arbeitgeber in ein anderes Unternehmen wechseln.

Wenn Sie notwendige Veränderungen annehmen und auch angehen, ist das immer ein guter Schritt, denn es bedeutet, dass Sie die Problemorientierung verlassen und in die Lösungsorientierung übergehen.

Im vierten und letzten Teil der Serie geht es darum, Nachhaltigkeit in den Veränderungsprozess zu integrieren. Was Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang meint und wie das geht – seien Sie gespannt auf die Folge, die ich demnächst wieder an dieser Stelle veröffentliche.