Serie Selbstreflektion, Teil 2

Wie Gefühle aus unseren Bewertungen entstehen und was das für unsere Zufriedenheit bedeutet

In Teil 1 ging es um den Zusammenhang von Ausgangssituationen und unseren daraus resultierenden Bewertungen. Die Kernaussage war, dass Situationen an sich immer neutral, also weder gut noch schlecht sind. Unsere subjektive Bewertungen führen erst dazu, dass wir einer Situation eine Bedeutung geben – mal ist sie positiv und mal negativ.

In Teil 2 geht es nun um die Frage, wie unsere Gefühle in diese Abfolge von Situation und Bewertung einspielen. Die Antwort lautet: Aus unseren subjektiv bewertenden Gedanken folgen unsere Gefühle.

Hier ist es wichtig, sich die Reihenfolge bewusst zu machen: Unsere Gefühle sind die Konsequenz unser Bewertungen.

Daraus folgt: Dinge, die wir positiv bewerten, führen in der Regel zu angenehmen Gefühlen. Dinge, die wir negativ bewerten, führen in der Regel zu unangenehmen Gefühlen. Es liegt also maßgeblich an Ihren subjektiven Bewertungen von an sich neutralen Situationen, wie Ihre Gefühlswelt aussieht.

Dies ist ein ganz wesentlicher Punkt für Ihr Wohlgefühl und Ihre Zufriedenheit, weshalb ich diesen Punkt kurz vertiefen möchte.

Barbara L. Fredrickson, Professorin für Psychologie an der University North Carolina in Chapel Hill und führend auf dem Gebiet der Positiven Psychologie, hat zu der Macht der guten Gefühle viel geforscht und wegweisende Erkenntnisse gewonnen. Sie hat herausgefunden, dass positives Denken sich massiv vorteilhaft auf unsere Grundstimmung auswirkt, denn aus unseren Gedanken (=Bewertungen) resultieren unsere Gefühle.

Das ideale Verhältnis zwischen angenehmen und unangenehmen Gefühlen, so zeigen die Studien von Barbara L. Fredrickson, liegt bei mindestens 3:1 (Barbara, L. Fredrickson: Die Macht der guten Gefühle, 2011, S. 47ff.). Das bedeutet, dass eine negative Emotion von drei positiven Emotionen getragen werden muss, damit der Mensch in einer positiven Grundstimmung ist.

Das zeigt, dass negative Erlebnisse wichtig sind, denn niemand kann ohne das Negative wachsen und sich weiterentwickeln. Das Positive sollte jedoch mindestens im Verhältnis 3:1 die Oberhand haben. Das 3:1-Verhältnis markiert den Tipping-Point, bei dem es beginnt ungesund zu werden. Barbara L. Fredrickson bringt es mit dem Verweis auf Studien wie folgt auf den Punkt (Barbara, L. Fredrickson: Die Macht der guten Gefühle, 2011, S. 42.): „Menschen, die eine positive Grundhaltung haben, leben länger – und zwar bis zu 10 Jahre.“

Die gute Nachricht daran ist: Sie haben es selbst in der Hand, welchen Gedanken Sie in sich Vorrang geben und wie Ihre Gefühlswelt als Konsequenz daraus aussieht!

Ich möchte Sie jetzt einladen, die Wirkung Ihrer Bewertungen auf Ihre Gefühle näher zu erkunden. Nehmen Sie sich dazu wieder die Tabelle zur Hand, in der Sie für die Top- und Flop Ereignisse die Ausgangssituation und Ihre Bewertung dazu formuliert haben (s. Abb. oben). Bitte ergänzen Sie im Spaltenkopf nach den Bewertungen jetzt den Begriff “Gefühl”. Ihre Tabelle sollte dann wie in der Tabelle oben aussehen:

Bitte schreiben Sie nun in die Spalte Gefühl Ihre Gefühle, die Sie mit den jeweiligen Top- und Flopsituationen auf Basis Ihrer Bewertungen empfinden. Mindestens eine Emotion sollten Sie danach zu jedem Punkt stehen haben, denn jede Bewertung löst im Minimum ein Gefühl aus.

Es ist nicht ungewöhnlich, wenn Sie Ihren Bewertungen zunächst keine konkreten Gefühle zuordnen können. Gerade wenn Sie in dieser Art der Betrachtung Ihrer Situation noch ungeübt sind, ist es gar nicht so leicht, in sich hineinzuhorchen und seinen Gefühlen auf die Spur zu kommen. Trotzdem möchte ich Sie ermutigen, es auszuprobieren. Es lohnt sich!

Sie sehen, unsere subjektiven Bewertungen von an sich neutralen Ausgangssituation haben enorme Auswirkungen auf unsere Gefühlwelt. Das Gute daran ist, dass wir es selbst in der Hand haben, wie wir Situationen bewerten. Dementsprechend haben wir es auch selbst in der Hand, wie unsere Gefühlswelt als Folge unserer Gedanken aussieht – eine wesentliche Erkenntnis zur Übernahme von Selbstverantwortung.

Nicht der andere wie z. B. der Kollege, der Vorgesetzte, der Kunde, der Auftraggeber oder der Dienstleister ist für unsere Zufriedenheit verantwortlich oder gar „schuld”, dass es uns so geht wie es uns geht. Wir selbst sind dafür verantwortlich.

Im dritten und letzten Teil dieser Serie wird es um die Frage gehen, wie unsere Bedürfnisse und daraus resultierende Handlungen in den Kontext von Ausgangssituation, Bewertungen und Gefühle hineinspielen.