Welche Bedeutung unsere Bedürfnisse im Kontext von Ausgangssituation, Bewertung und Gefühlen für unser Handeln und unsere Zufriedenheit haben
In Teil 2 der Serie haben wir uns intensiv mit der Entstehung unserer Gefühle beschäftigt und festgestellt, dass wir selbst für unsere Gefühlswelt verantwortlich sind und kein anderer wie zum Beispiel der Kunde, der Chef, der Auftraggeber oder der Dienstleister.
Im dritten und finalen Teil der Serie geht es um die Frage, wie Bedürfnisse in diese Zusammenhänge einspielen und welche Handlungen wir daraus resultierend in der Regel ergreifen.
Zunächst zum ersten Teil der Fragestellung: wie spielen unsere Bedürfnisse in den Zusammenhang von Situation, Bewertung der Situation und daraus resultierenden Gefühlen rein?
Dazu folgendes Eingangsstatement: Alles, was Sie tun, tun Sie auf Grund von Bedürfnissen. Ihre Gefühle sind Ausdruck Ihrer Bedürfnisse, die es zu befriedigen gilt.
Angenehme Gefühle zeigen Ihnen in der Regel, dass Ihre Bedürfnisse erfüllt werden und motivieren Sie, mehr davon zu machen. Hier spricht man von der sogenannten „Hin-Zu“ Motivation.
Unangenehme Gefühle zeigen Ihnen in der Regel hingegen, dass Ihre Bedürfnisse unzureichend erfüllt werden und motivieren Sie, davon wegzukommen. Hier spricht man von der sogenannten „Weg-Von“-Motivation.
Sie merken, wenn in Ihnen ein Bedürfnis entsteht, dann entsteht in Ihnen eine innere Spannung. Sie können Ihre Bedürfnisse also innerlich spüren. Vermutlich kennen Sie auch das Gefühl, wenn Ihre Blase voll ist und dadurch ein Gefühl innerer Spannung entsteht. Diese Spannung steht in diesem Fall für das Bedürfnis, das nächste stille Örtchen aufzusuchen. Nachdem Sie sich erleichtert haben, ist die Spannung entladen. Ihr Bedürfnis ist befriedigt. Bedürfnisbefriedigung bedeutet die Entladung von Spannung.
Die Priorisierung der Bedürfnisse ist individuell. Für den einen ist Freiheit wichtiger als Sicherheit, bei dem anderen ist es umgekehrt. Hier zeigt sich, wie die Räder Ausgangssituation, Bewertung, Gefühle und Bedürfnisse ineinandergreifen. Auf Grund der subjektiven Bewertungen von an sich neutralen Situationen und den daraus resultierenden Gefühlen zeigt sich die individuelle Bedürfnisstruktur.
Jetzt lade ich Sie ein, Ihrer individuellen Bedürfnisstruktur näher auf die Schliche zu kommen.
Hierzu bitte ich Sie, sich wieder Ihre Tabelle der ersten beiden Teile zur Hand zu nehmen und im Spaltenkopf rechts neben den Gefühlen den Begriff “Bedürfnis” einzutragen. Ihre Übersicht sollte dann so wie oben aussehen (noch ohne Aktion in der Spalte ganz rechts).
Probieren Sie bitte einmal, hinter jedes Gefühl der Top-Aktivitäten die vorrangigen Bedürfnisse zu schreiben, die Sie mit der Ausgangssituation befriedigen. Die zentrale Frage lautet hier also: „Welche Bedürfnisse befriedige ich mit den Aktivitäten?“
Danach bitte ich Sie, hinter jedes Gefühl der Flop-Aktivitäten die vorrangigen Bedürfnisse zu notieren, die Sie in der Ausgangssituation vernachlässigt haben. Die entscheidende Frage lautet hier: „Welche Bedürfnisse vernachlässige ich mit den Aktivitäten?“
Wie schon bei den Gefühlen ist es gar nicht so leicht, seine befriedigten Bedürfnisse bei den Top-Ereignissen und unbefriedigten Bedürfnisse bei den Flop-Ereignissen herauszufinden. Deshalb hier eine kleine Hilfestellung.
Nachfolgend zeige ich Ihnen eine Übersicht möglicher Bedürfnisse, die in Ihren Top- und Flop-Ereignissen befriedigt oder unbefriedigt sein könnten (Quelle: https://www.gluecksarchiv.de/inhalt/grundbedarf.htm):
körperlich und geistig gesund sein, mit sich im Gleichgewicht sein, ein Dach über dem Kopf und Arbeit haben, sich fortpflanzen, ein passendes Lebensumfeld haben, Fürsorge, Geborgenheit und Solidarität erfahren, selbstständig sein, soziale Sicherheit haben, Abgesichert sein (Ersparnisse, Versicherungen, Krankenversicherung) und Vorsorge treffen, Rechte haben, mit anderen kooperieren, helfen, Selbstachtung, Solidarität, Respekt, Toleranz, Partnerschaft, Familie, Freundschaft, sich lieben, sich kümmern, in Gemeinschaft sein, sich wertschätzen, Gefühle ausdrücken dürfen, Neugier, Vernunft, Aufnahmebereitschaft, forschen, experimentieren, analysieren, lernen, andere ausbilden, Solidarität erleben und zu leben; sich engagieren, Leidenschaft haben, Verantwortung und Pflichten übernehmen; etwas leisten, mit anderen kooperieren, etwas zustimmen, Meinungen austauschen, sich mitteilen, mitbestimmen, einer Gemeinschaft angehören, Ruhe und Beschaulichkeit, Sorglosigkeit, sich Phantasien hingeben, Spielen, Spaß haben und Feiern, in den Tag hineinträumen, sich an Vergangenes erinnern, die Freizeit genießen, etwas schaffen oder erfinden, sich beschäftigen, Fähigkeiten und Fertigkeiten einsetzen, produktiv sein, Rückmeldungen erfahren, frei über die eigene Zeit verfügen, sich abgrenzen, sich selbst achten und behaupten, in Bezugsgruppen den eigenen Platz definieren, sich selbst kennen bzw. kennenlernen, sich selbst verwirklichen, sich weiterentwickeln, Freiraum, Autonomie und Mut, Gleichberechtigung, Risiko.
Sie sehen, es gibt eine Vielzahl möglicher Bedürfnisse, die sie bei ihren Top-Ereignissen befriedigen und bei ihren Flop-Ereignissen vermutlich vernachlässigen.
Wenn man in dieser Art der Selbstreflexion noch nicht geübt ist, ist es alles andere als trivial, in dieser Form in sich hineinzuhorchen. Insbesondere die Identifikation der Gefühle und dahinterliegenden Bedürfnisse erfordert einiges an Selbstreflexion. Deshalb: Es freut mich für Sie, dass Sie bereit sind sich selbst in dieser Form zu reflektieren.
Nachdem Sie festgestellt haben, wie Sie die von Ihnen reflektierten, an sich neutralen, Ausgangssituationen bewerten, welche Gefühle daraus resultieren und welche dahinterliegenden Bedürfnisse befriedigt (Top-Ereignisse) und nicht befriedigt (Flop-Ereignisse) sind, folgen daraus Handlungen. Diese bezeichne ich als Aktionen. Ziel sämtlicher Aktionen ist es, unbewusst oder bewusst Bedürfnisse zu befriedigen, sprich: die Bedürfnisbefriedigung zu verstärken bzw. die bisher unbefriedigten Bedürfnisse in einen Zustand der Befriedigung zu bringen.
In einfachen Situationen läuft dies meist unbewusst ab: Wenn Sie Durst haben, nehmen Sie sich etwas zu trinken, ohne die Schritte Bewertung, Gefühle und Bedürfnisse bewusst durchzugehen. Wenn Sie müde sind, machen Sie eine Pause.
Es gibt aber auch deutlich umfangreichere Situationen, in denen das automatisierte Handeln in dieser Weise nicht funktioniert. Ich gebe Ihnen dazu ein Beispiel.
Nehmen wir an, Sie hatten folgende Ausgangssituation: In der letzten Woche habe ich jeden Tag die Spülmaschine ein- und ausgeräumt. Ihre Bewertung dazu war: Ich finde es blöd, das als einziger in diesem Haushalt zu machen. Das daraus resultierende Gefühl war Ärger. Das dadurch unbefriedigte Bedürfnis war beispielsweise Gerechtigkeit. Dann könnte die daraus resultierende Handlung/Aktion mit dem Ziel, das Ein- und Ausräumen der Spülmaschine auf mehrere Schultern zu verteilen, folgende sein: Sie rufen alle Haushaltsmitglieder zusammen, schildern Ihre Sicht der Dinge und bitten darum, dass gemeinsam ein Plan erstellt wird, der die Tätigkeiten rund um die Spülmaschine gerecht auf alle verteilt.
In diesem Sinne lade ich Sie abschließend zu diesem Beitrag ein sich zu überlegen, wie Sie die für die Top- und Flop-Ereignisse gewonnenen Erkenntnisse jetzt in eine befriedigende Handlung bringen können. Wie gesagt geht es bei den Top-Ereignissen darum, das Bedürfnis noch stärker zu befriedigen oder zumindest auf dem bestehenden Niveau zu halten. Bei den Flop-Ereignissen geht es indes darum, die identifizierten unbefriedigten Bedürfnisse zukünftig besser zu befriedigen.
Dazu nehmen Sie sich wieder Ihre Tabelle oben und ergänzen im Spaltenkopf rechts neben Bedürfnis den Begriff “Aktion”. Wenn Sie mögen, schreiben Sie nun ähnlich dem Spülmaschinen-Beispiel hinter jedes Bedürfnis der Top-Aktivitäten mögliche Handlungen, die Ihre Bedürfnisbefriedigung ausbaut oder dafür sorgt, dass sie zumindest auf dem Niveau bleibt.
Anschließend schreiben Sie hinter jedes Bedürfnis der Flop-Aktivitäten mögliche Handlungen, die Ihre bisher unbefriedigten Bedürfnisse zukünftig stärker befriedigen.
Wenn Sie dies gemacht haben, haben Sie den Zusammenhang von an sich neutraler Ausgangssituation, subjektiver Bewertung, daraus resultierenden Gefühlen, dahinterliegenden Bedürfnissen und daraus folgenden Handlungen/Aktionen kennengelernt und mit Ihren individuellen Beispielen durchgespielt. Sie wissen jetzt, wie das – so nenne ich es in Anlehnung an Harlich H. Stavemann und Marshall B. Rosenberg – ABCDA-Modell funktioniert und wie Sie es für sich einsetzen können. Dabei steht A für Ausgangssituation, B für Bewertung, C für Consequence, die unsere Gefühle als Folge der subjektiven Bewertung beschreibt, D für Desire (zu deutsch Bedürfnis) und A für Aktion, die aus dem vorherigen resultiert.
Sie werden sehen: Wenn Sie die gewonnenen Erkenntnisse in Ihr Leben integrieren und regelmäßig üben, wird dies zu mehr Selbstbestimmung in Ihrem Leben führen und sich damit positiv auf Ihre Zufriedenheit und Ihr Umfeld auswirken. Ich wünsche Ihnen dabei gutes Gelingen und viel Erfolg!
Herzlich, Ihr Torsten König