Warum Nachhaltigkeit essentiell für den Veränderungsprozess ist
Mit Veränderungen ist in aller Regel ein zusätzlicher Energieaufwand verbunden, den es zu händeln gilt. Dafür möchte ich Sie im vierten und letzten Teil der Serie sensibilisieren. Denn: Jeder von uns kann nur soviel Energie einsetzen wie zur Verfügung steht, nachwächst oder sich regeneriert. Das ist nach dem Duden die Definition für Nachhaltigkeit , weshalb Nachhaltigkeit oberstes Gebot ist. Alles andere geht auf die Gesundheit.
Dies möchte ich Ihnen an einem plakativen Beispiel zeigen: Stellen wir uns einen ganz normalen Tag vor. Es stehen 24 Stunden zur Verfügung. Um eine Balance zwischen „Energie schöpfen“ und „Energie einsetzen“ zu schaffen, bedeutet dies rechnerisch, dass beiden Polen je 12 Stunden zur Verfügung stehen. Von den 12 Stunden „Energie einsetzen“ verbrauchen wir rund 8 Stunden für die Arbeit. Hinzu kommen in der Regel noch Fahrzeiten zur Arbeit und zurück, Haushalt, Kinder, Einkaufen, Organisatorisches, digitale Kommunikation etc.. Mit anderen Worten: In 12 Stunden sind diese ganzen Dinge realistisch betrachtet kaum umsetzbar.
Wenn wir allerdings auf Grund dieser Tatsache Raubbau an den 12 Stunden „Energie schöpfen“ betreiben, z. B. indem wir weniger schlafen, geht das auf Kosten der Gesundheit, was letztendlich dazu führt, dass wir erst recht unsere „To Dos“ nicht mehr schaffen werden. Über diesen Weg erreichen wir nur, dass sich unsere Ressourcen erschöpfen. Also, am Zeitbudget „Energie schöpfen“ zu sparen ist keine gute Idee.
Aber was können wir stattdessen machen? Es bleibt nur eine Möglichkeit: Die Dinge, die wir üblicherweise als Energieverbraucher betrachten, müssen mehr als bisher zum Energiespender werden! Wie geht das?
Im beruflichen Kontext zeigt die sogenannte „New Work Bewegung“ einen Ansatz, die von Professor Frithjof Bergmann bereits in den 70er Jahren im Rahmen der Frage nach dem optimalen beruflichen Umfeld initiiert wurde. Der Kernsatz der Bewegung lautet: „Mach‘ die Arbeit, die du wirklich wirklich willst!“. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass man alles ablehnen soll, was einem missfällt. Das wäre unrealistisch und mit Sicherheit kein Erfolgsmodell. Es geht eher darum, sich sein Umfeld im Rahmen der Möglichkeiten so angenehm wie möglich zu gestalten, um über diesen Weg produktiver und gleichsam zufriedener zu sein.
Wenn man sich Studien zu der Frage anschaut, was Menschen im beruflichen Umfeld insbesondere glücklich macht (die Ergebnisse kann man guten Gewissens auch auf das Privatleben übertragen), so sind das gemäß der internationalen Studie Decoding Global Talent der Boston Consulting Group mit 366 Tausend Teilnehmern vor allem diese 10 Punkte :
- Gute Beziehung zu KollegenGute
- Work-Life-Balance
- Gute Beziehung zu Vorgesetzen
- Fort- und Weiterbildung
- Karriereentwicklungs-Möglichkeiten
- finanzielle Stabilität des Unternehmens
- Job-Sicherheit
- angemessene Entlohnung
- Wertschätzung für meine Arbeit
- Interessante Jobinhalte
Lediglich ein Faktor der Top 10, nämlich die finanzielle Stabilität des Unternehmens, zählt zu den klassischen Unternehmenszielen. Alles anderes sind zutiefst menschliche Bedürfnisse.
Wenn es also darum geht, eigentliche Energiefresser in Energiespender umzuwandeln, um damit das heute übliche Pensum an täglichen To Dos zu meistern, rate ich dazu sich ein berufliches Umfeld zu schaffen, in dem Ihr Umfeld auf diese Punkte wert legt. Dann besteht eine realistische Chance, im Energiefresser in Energiespender umzuwandeln.
Aber wie macht man das? Wie erkennt man seine Energiefresser und –spender? Hierzu möchte ich Ihnen ein einfaches und zugleich wirkungsvolles Modell ans Herz legen, die sogenannten „Säulen der Identität“.
Danach gibt es fünf Kriterien, die möglichst alle in einem zufriedenstellendem Maße erfüllt sein sollten, um zufrieden und damit in seiner Energie zu sein.
- Arbeit und Leistung
- Soziales Netz
- Gesundheit
- materielle Sicherheit
- Werte und Normen
Diese sind in der obigen Abbildung dargestellt:
Ich stelle Ihnen das Modell anhand von typischen Fragen vor, die sich mit den einzelnen Säulen verbinden:
Arbeit und Leistung: Passt das, was ich mache (z. B. Job, Hobbies …) und die von mir selbst und meinem Umfeld erwarteten Leistungen zu meinen Vorstellungen? Hier können beispielsweise die Arbeitszeit oder die Work-Life-Balance eine Rolle spielen. Im privaten Umfeld ist es beispielsweise ein Unterschied, ob ich sportliche Wettkämpfe als ein verbissenes Spiel um „Leben und Tod“ begreife oder dabei einfach nur eine schöne Zeit haben möchte.
Soziales Netz: Habe ich ein privat wie beruflich ausreichendes soziales Netz? Habe ich zum Beispiel einen verlässlichen Freundeskreis oder Kollegen, denen ich vertraue?
Gesundheit: Achte ich ausreichend auf meine mentale wie körperliche Gesundheit? Treibe ich zum Beispiel ausreichend Sport oder schlafe ich genug? Oder: Trifft mein Arbeitgeber ausreichende ergonomische Vorkehrungen?
Materielle Sicherheit: Bietet der Job oder sonstige Einkünfte mir ausreichend materielle Sicherheit?
Decken sich meine Normen und Werte mit denen meines privaten und/oder beruflichen Umfeldes? Wenn für mich ein respektvoller Umgang ein Kernwert ist, stellt sich z. B. die Frage, ob Sie diesen Umgang in Ihrem Umfeld wiederfinden.
Jetzt fragen Sie vielleicht, was das jetzt mit Energiefressern und –spendern zu tun hat? Nun, wenn die Situation oder das Umfeld nicht Ihren eigentlichen Vorstellungen entspricht, entwickeln sich die einzelnen Säulen oder Teile davon zum Energiefresser. Wenn Sie hingegen zu dem Schluss kommen, dass die Säulen im Großen und Ganzen genauso sind wie es es sich vorstellen, werden Sie zum Energiespender.
Deshalb: Wenn Sie Ihre Energiespender und –fressern auf die Spur kommen wollen, lade ich Sie ein folgende Übung für sich zu machen:
Überlegen Sie bitte einmal pro Säule, was Ihre beruflichen (oder auch privaten) Energiespender und –fresser sind. Notieren Sie die Energiespender und –fresser pro Säule.
Nachdem Sie pro Säule die Energiespender und –fresser notiert haben, ordnen Sie diese auf einer Skala von 1 bis 5 (Energiespender) und -1 bis -5 (Energieräuber) ein. Was sind Ihre Hauptenergiespender und –fresser?
Schließen danach pro Säule ein Gesamtfazit. Dazu geben Sie der Summe Ihrer Energiespender als Paket einen Wert zwischen +1 und +5. Danach machen Sie selbiges für das Paket der Energiefresser auf einer Skala von -1 bis -5.
Im Ergebnis werden Sie erkennen, bei welchen Säulen Sie derzeit insgesamt gut unterwegs sind und welche Säulen es zu verbessern gilt. Und Sie haben die Ansatzpunkte, an denen Sie arbeiten können. Konkret heißt das: Ausbau der Energiespender und Reduzierung der Energiefresser durch die Alternativen Love it, Change it, Leave, die wir bereits kennengelernt haben.
Ein abschließender Tipp: Wiederholen Sie diese Übung in regelmäßigen Abständen, z. B. monatlich. So erkennen Sie für sich eine Entwicklung.
Was möchte ich Ihnen als Fazit der Serie auf den Weg geben: Vor allem hoffe ich Ihnen gezeigt zu haben, dass Veränderungen grundsätzlich etwas Gutes sind, denn sie geben uns die Chance, uns weiterzuentwickeln und weitere schöne Facetten des Lebens kennenzulernen.
Dafür bedarf es der Offenheit für Neues. Nach dem Motto „Man sieht nur was man sieht“, möchte ich Sie ermuntern, Ihre Sinne für Neues zu öffnen und neuen Denkansätzen zuversichtlich gegenüberzustehen.
Dafür bedarf es häufig gar keines radikalen Wechsels. Häufig sind die notwendigen Veränderungen mit den bestehenden Ressourcen zu schaffen. Man muss sie nur sehen! Manchmal bedarf es aber auch einer Systemveränderung, weil die Herausforderung mit denbestehenden Mitteln nicht gemeistert werden können. Aber auch hier haben wir gesehen, dass dies kein Grund für Verzweiflung ist. Auch eine Systemveränderung – sei es eine Erweiterung oder auch die Konzentration auf das Wesentliche – lässt sich vollbringen.
Um Veränderungen mit wirklichem Elan anzugehen, ist es weiterhin wichtig, einen Sinn darin zu sehen. Wenn jemand einfach nur behauptet, dass eine Veränderung sinnvoll wäre, Sie diesen Sinn allerdings nicht nachvollziehen können, werden Sie immer gedämpft an der Veränderung arbeiten. Fordern Sie Gründe ein, warum die Veränderung sinnvoll ist.
Abschließend denken Sie daran, dass Veränderungen einen zusätzlichen Energieaufwand bedeuten, denn Sie verlassen bekannte Wege und damit routinierte Abläufe.
Hier gilt es zu berücksichtigen, dass Sie im Sinne der Nachhaltigkeit nur soviel Energie einsetzen können wie Ihnen über den Veränderungsprozess zur Verfügung steht. Deshalb bitte ich Sie zu bedenken, dass Veränderungsprozesse in aller Regel ein Marathon sind und keine Kurzstrecke.